Phantom Afrika
Buch

Phantom Afrika

968 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Preis: 68,00 €
Durchgesehene und erweiterte Neuausgabe

Michel Leiris wird gerade wieder neu entdeckt: als Kronzeuge kolonialer Raubkunst. Tatsächlich wird man kaum einen Autor finden, der die fragwürdigen Praktiken bei der Aneignung von Objekten durch Ethnografen in Afrika – Rettung durch Raub – so freimütig aus der Täterperspektive schildert. Die Ethnologen haben ihn nach diesen Enthüllungen zuerst als unseriösen »Literaten« verunglimpft, um Phantom Afrika (1934) später zum Vorbild für eine experimentelle Ethnografie in der ersten Person zu erklären. Aus heutiger Sicht bietet das von Surrealismus und Psychoanalyse inspirierte Tagebuch des Sekretärs der legendären, staatlich finanzierten Forschungs- und Sammlungsreise von Dakar nach Djibouti (1931–1933), der ersten und größten dieser Art, vielleicht noch grundlegendere Einsichten in die Paradoxien der Feldforschung im kolonialen Zeitalter. Denn der Surrealist mit Tropenhelm ist vor allem eins: schonungslos. Genauso wie die Methoden der Wissenschaftler seziert er seine Widersprüche und Obsessionen, dokumentiert seine exotistischen und kolonialistischen Vorstellungen. Zum Antikolonialisten wurde Leiris erst durch diese Erfahrung. So wird der Leser Zeuge, wie ein weißer europäischer Mann, der sich in Afrika auf die Suche nach Grenzerfahrungen macht, am Ende vor allem seine inneren Dämonen kennenlernt – nicht die schlechteste Voraussetzung, um die Geister und die Poesie der »Anderen« zu erforschen.

In den 1980er Jahren Kultbuch der bundesrepublikanischen Ethnoboom-Generation, war die deutsche Übersetzung von L’Afrique fantôme seit Langem vergriffen. In dieser u. a. um Leiris’ Briefe an seine Frau erweiterten Neuausgabe wird das so singuläre wie epochale Zeugnis der Widersprüche des Kolonialismus zwischen Gier nach Besitz und Sehnsucht nach Besessenheit nun endlich wieder verfügbar.
Buch
ISBN: 978-3-95757-778-8
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Veröffentlicht: 2022
Originaltitel: L'Afrique fantôme (Französisch)
Schlagworte: Reisen, Ethnologie, Afrika, Kolonialismus, Primitive Kunst

»›Phantom Afrika‹ ist das Bekenntnis eines Wissenschaftlers wider Willen, der aus schierem Lebensüberdruss nach Afrika aufbrach, um sich selbst zu entfliehen. [...] Mit der nun vorliegenden Neuausgabe [] liegt nun nicht nur das Reisetagebuch in einer überarbeiteten Gestalt vor, sondern öffnet sich der Blick auf die wohl spektakulärste Afrika-Expedition des 20. Jahrhunderts.«
– Sven Ahnert, ORF

»Die Herausgeberin verdient großes Lob für diese Edition, die sich neben den kommentierten französischen Ausgaben dieses kanonischen Texts behaupten kann, sie an einigen Stellen sogar ergänzt.«
– Helmut Mayer, Frankfurter Allgemeine Zeitung

  • Irene Albers

    Irene Albers ist Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und für Romanische Philologie an der Freien Universität Berlin. 2018 erschien Der diskrete Charme der Anthropologie – Michel Leiris’ ethnologische Poetik bei Konstanz University Press.